Nicht genau im Schlaglicht – Noch nicht
10. Juli 2019 / Allgemein, Norm und Zertifizierung, Industrienetzwerke
Es ist schon eine Weile her, dass wir über OM5-Multimode-Faserkabel gesprochen haben und darüber, dass dieses Kabel trotz der hellgrünen Farbe und der Hinzufügung zum ANSI/TIA-568.3-D-Standard im Jahr 2016 bisher noch nicht mehr Aufmerksamkeit erlangt hat – was wohl aber nicht für immer währen wird.
Da es bisher noch keine Ethernet-Anwendung gibt, die OM5-Faserkabel erforderlich macht, und da OM5-Faserkabel einen leichten Kostenanstieg mit sich bringen, waren bisher viele sehr skeptisch, wenn es darum ging, von OM4 auf OM5 umzusteigen. Tatsächlich gingen viele Branchenexperten beim erstmaligen Erscheinen des OM5-Faserkabels davon aus, dass es wie auch das Kupferkabel der Kategorie 4 letztendlich wieder verschwinden würde, weil es keine hohe Lebensdauer hatte und daher auch nicht mehr als Industriestandard anerkannt wurde.
Aber Halt! Im letzten Jahr begann die IEEE P802.3cm Arbeitsgruppe damit, einen neuen Standard für Multimode-Faserkabel von 400 Gb/s und mehr zu entwickeln, das zusätzlich zu den 400GBASE-SR8 über acht Bahnen (16 Fasern insgesamt) unter Einsatz von 24- oder 16-Faser-MPO-Anschlüssen auch 400GBASE-SR4.2 beinhaltet, das über vier 2-Kurzwellenlängen-Multiplex-Bahnen (SWDM) (8 Fasern insgesamt) unter Einsatz des Standard-12-Faser-MPO funktioniert. Da das OM5-Faserkabel für SWDM optimiert ist, könnte man meinen, dass es dadurch nun endgültig in den Mittelpunkt des Interesses befördert wird. Da jedoch der neue Standard die bestehende Zwei-Wellenlängen-Technologie verstärkt, die den Betriebseinsatz von 100 Metern OM4-Kabel gewährleistet, bleibt die Frage bestehen, ob OM5 eigentlich benötigt wird.
Da der Standard voraussichtlich bis Ende des Jahres veröffentlicht wird, halten wir es für angemessen, uns das OM5-Potenzial noch einmal genauer anzusehen.
OM5 Refresher
Als das OM4-Faserkabel mit seinem lichtbrechenden Profil und seiner reduzierten Differentialmodusverzögerung (DMD) im August 2009 von TIA genehmigt wurde, lieferte es eine deutlich höhere Bandbreite als OM3 (4700 MHz*km im Vergleich zu 2000 MHz*km). Dies ermöglichte die Übertragung von mehr Informationen innerhalb derselben Distanz bzw. dieselbe Menge an Informationen über längere Distanzen.
OM5-Faserkabel bieten dieselbe Bandbreite und Leistung wie OM4-Kabel bei einer Wellenlänge von 850 nm, was wiederum vielleicht ein weiterer Grund für die weitverbreitete Skepsis ist. OM5 ist (ebenso wie OM4) für den Betrieb mit VCSEL-Sendeempfängern bestimmt und ist im Wesentlichen eine Version von OM4, die weitere Spezifikationen für den Betrieb bei einer Wellenlänge von 953 nm beinhaltet, um die Übertragung auf mehreren Wellenlängen über die SWDM-Technologie zu unterstützen. Deswegen wird es auch als Breitband-Multimode-Faserkabel bezeichnet (Wide-Band Multimode Fiber, WBMMF).
Die tatsächliche Modusbandbreite für OM5 beträgt bei 953 nm Wellenlänge 2470 MHz*km, da die Farbzerstreuung bei dieser Wellenlänge geringer ist. Bei der Farbzerstreuung (chromatische Dispersion) werden mit der Zeit Lichtimpulse aufgrund von verschiedenen Wellenlängen zerstreut, die sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten bewegen. OM5 muss dieselbe 4700 MHz*km Leistung bei 850 nm Wellenlänge bieten, um die Rückwärtskompatibilität mit OM4 zu gewährleisten, und da die Farbzerstreuung daher bei der höheren Wellenlänge von 953 nm geringer ist, ist die effektive Mindestmodalbandbreite niedriger.
Brauche ich das alles?
Die kurze Antwort lautet: „Das kommt ganz darauf an.“
Bestehende Anwendungen wie die Cisco Bi-Di-Lösung verwenden die 953 nm Wellenlänge und die SWDM-Technologie, um 40 und 100 Gig über Duplex-Faserkabel zu unterstützen. Die IEEE 400GBASE-SR4.2 verstärkt diese Technologie in Kombination mit paralleler Optik, um 400 Gig über 8 Faserkabel (100 Gbps pro Faser) zu unterstützen. Dies erfolgt über die bidirektionale Übertragung auf jedem Faserkabel mit 850 und 953 nm Wellenlänge, d. h. es werden zugleich 50 Gbps in entgegengesetzte Richtungen übertragen. Da das OM5-Faserkabel für die Leistung bei 953 nm Wellenlänge optimiert ist, scheint es für diese Anwendungen auch bestens geeignet zu sein.
Allerdings funktionieren auch alle Anwendungen über das OM4-Faserkabel, und da 400GBASE-SR4.2 mit bestehenden 8- oder 12-Faser-MPOs arbeitet, kann es die bestehenden derzeit bei 40 und 100 Gbps in Betrieb befindlichen OM4-Faserkabelanlagen verstärken. Bei SWDM-Anwendungen unter Einsatz von einer Wellenlänge von 953 nm bringt Ihnen OM5 deutlich mehr Distanz. Für den neuen 400GBASE-SR4.2 Standard bedeutet dies die Unterstützung von 400 Gig bis 150 Meter unter Verwendung von OM5 im Vergleich zu nur 100 Meter unter Verwendung von OM4.
Während sich also manche Benutzer entscheiden werden, weiterhin OM4 zu verwenden, werden wahrscheinlich jene Benutzer, die zu 400 Gig wechseln möchten und etwas mehr Distanz benötigen, eher OM5 verwenden, wenn es um Neueinsätze geht. Das sind gute Voraussetzungen für OM5 angesichts der Tatsache, dass OM4 in erster Linie deswegen beliebter wurde, weil es im Vergleich zu OM3 größere Distanzen abdecken konnte – 50 Meter mehr bei 40GBASE-SR4 und 30 Meter mehr bei 100GBASE-SR4.
Ebenso ist es von Vorteil, dass es sich ganz einfach testen lässt. Die Tests bei 953 nm Wellenlänge ergeben keine lebenswichtigen Informationen, die Sie nicht auch mit den standardmäßig empfohlenen Einfügungsdämpfungstests bei Wellenlängen von 850 nm und 1300 nm unter Einsatz von Fluke Network CertiFiber Pro erzielen würden. Wenn dies also Ihre bevorzugte Methode ist, dann können Sie sorglos dabei bleiben.